imm Köln

Trendbericht Wohnen 2019

von Redaktion Wohnen Einrichten / Werbung

Trendbericht des Verbandes der deutschen Möbelindustrie von Ursula Geismann anlässlich der imm cologne im Januar 2019

Köln im Januar 2019 - Wohnen ist Lifestyle. Unser Lebensgefühl ist derzeit von einer außerordentlichen Selbstbestimmung geprägt. Jeder sucht seinen individuellen Weg und Stil. Alles ist möglich, alles kann passieren, nichts muss passieren. Der Blick zurück in die Zeit der Weimarer Republik - und in die Serie Babylon Berlin - zeigt uns einen ähnlichen Zeitgeist wie heute, der uns brennend interessiert. Das Leben war glamourös und wild, auch wenn es Zwänge gab. Das Leben war intensiv und manchmal auch dekadent. Alles in allem war es spannend und machte neugierig. Damals wohnten die einen bieder und mit altdeutscher Eiche, während die anderen schon vom jungen Bauhaus überzeugt waren. Um zur Ruhe zu kommen war den Menschen der Rückzug in die eigenen vier Wände auch damals schon wichtig.

Heute bedienen wir uns digitaler Medien, die uns alles ermöglichen. Wir können ständig Wissen abrufen, sogenanntes Situationswissen, was wir dann auch wieder schnell vergessen. Wir können Bestellungen tätigen, Reisen buchen, kommunizieren, in Echtzeit Dinge vom anderen Ende der Welt erfahren. Hinzu kommen die Messenger-Dienste und die sozialen Medien. Sie übertragen pro Tag 100 Milliarden Nachrichten. In Deutschland nutzen 89 Prozent der 14- bis 19-Jährigen mit 34 Millionen Nachrichten täglich Whats App.



Auch können wir heute im Internet Möbel vergleichen, Einrichtungsideen ansehen, mit virtueller Realität ein Möbel ins eigene Wohnzimmer ziehen, voyeuristisch Fernsehsendungen über glückliches Wohnen ansehen und uns immer persönlicher in der eigenen Wohnung zum Ausdruck bringen. Selbstbestimmung bedeutet Individualität. Die Demokratisierung von Design hat mit sich gebracht, dass jeder Stil in jeder Preisklasse zu kaufen ist. Alles geht. Diese Multioptionalität konterkariert in hohem Maße einheitliche Stile und Trends. Es geht heute um kreative und individuelle Variationen. Wohnen ist ein Spiegel der Gesellschaft.

Übrigens werden 14 Prozent aller Möbel in Deutschland schon online gekauft. Derzeit sind es eher Einzelmöbel und Kleinmöbel. In Zukunft werden Industrie und Handel darüber nachdenken müssen, ob die „digital natives“ mit ihren flinken Daumen und linken Händen ein vereinfachtes Montageangebot für komplexere Möbel bekommen müssen. Und interessant in diesem Zusammenhang ist auch das sogenannte Tracking. Es entspricht dem Seelenleben der Menschen, die bestellte Ware zu jeder Tages- und Nachtzeit zu beobachten. Jeder Lieferschritt der Sendung ist kleinteilig dokumentiert, so dass sie mit jedem neuen Status tatsächlich ein Stückchen näher kommt. Vielleicht wäre eine Bestellung sonst zu abstrakt und zu magisch. Bei einer Reservierung ist ein Möbel ja eigentlich auch schon Eigentum, genau wie die Lebensmittel im Einkaufswagen.

Wohnen ist Lifestyle
Die Idee, eine Wohnung mit samt ihrem Inventar zu verkaufen, wie man es in den USA macht, wäre in Deutschland undenkbar. Hier werden Möbel beim Umzug mitgenommen oder sogar vererbt. Laut unserer aktuellen Wohnstudie, durchgeführt vom Institut für Demoskopie Allensbach, sind 68 Prozent der Deutschen mit ihrer Einrichtung zufrieden. Unser Zuhause ist nicht wo wir leben, sondern wie wir leben um uns wohlzufühlen.

Sogenannte Boutique-Hotels erleben gerade einen regelrechten Boom, denn sie verkörpern jeweils einen bestimmten Lifestyle. So haben die Menschen mit ihrem gewünschten Lebensgefühl das Interior von Hotels beeinflusst und umgekehrt. Denn professionell eingerichtete Hotelzimmer geben auch Wohninspiration für das private Heim. Und wenn das nicht als Quelle der Inspiration reicht, kann der Gast seine Suche auch in fremden Wohnungen befriedigen.


© Foto: Schönbuch. AMIE von Christian Haas gestaltet. www.schoenbuch.com

Die wachsende Zahl an Privatraum-Vermietungen (zum Beispiel Airbnb) und Fernsehsendungen mit genauem Einblick in die Wohnvorlieben anderer belegen diese Sehnsucht. Ob einfach, Luxus, interessanter Ort oder besondere Architektur, die Menschen wollen ihre Neugier befriedigen, ihr Interesse, wollen Vorbild und Inspiration im Authentischen bekommen. Fast schon fungiert das Hotel als Erweiterung unseres Zuhauses und unseres Lebensstils und weniger als Ort des Schlafes. Übrigens: Lifestyle-Brands haben beim Wohnen Auftrieb. Die Kombination mit Fashion-Lables, wie Joop, H+M und Zara, steht für bestimmte Qualitäten und einen bestimmten Lebensstil.

Auffällig und nicht nur dem guten Wetter des letzten Jahres geschuldet, ist die neue Liebe zum Garten. Die Menschen investieren gerne und in wachsendem Maße in Outdoor-Möbel, Dekorationen, Licht, Kübel und Pflanzen für das Zimmer unter freiem Himmel. Draußen ist ein herrlicher Ort zum Entspannen, um der Hektik des Alltags zu entfliehen. Der Gartenmöbelmarkt profitiert vom Trend zum Outdoor-Homing und Urban Gardening. Im Rahmen der neuen Geselligkeit in den eigenen vier Wänden gewinnt auch der Garten nicht nur als Ort der Ruhe und Entspannung, als sozialer und kommunikativer Treffpunkt, sondern auch um Obst, Gemüse und Kräuter möglichst biologisch anzubauen, an Bedeutung. Outdoor-Cooking bedeutet draußen zu kochen, zu grillen und zu picknicken.

In diesem Zusammenhang noch ein Schlenker zur Living Kitchen. Alle zwei Jahre vereinigt sich die imm cologne mit der Küchenmesse Living Kitchen. So zeigt das Event auch in diesem Jahr die Innovationen und Neuheiten rund um das Einrichten einer Küche. Ob kleine Küche, große Küche, offene Küche oder kompakte Schrankküche. Küchen sind Umsatzbringer, denn sie wecken Begehrlichkeiten durch ihre vielen Innovationen. Bei Elektrogeräten, Armaturen, Oberflächen oder jetzt auch für Lösungen des sogenannten Indoor-Farmings.

Das Design von Möbeln verbessert sich ständig. Das ist im Übrigen das Wesen des Designs. Anders als Kunst, die einmal erschaffen wurde und dann so bleibt wie sie war, verbessert sich Design immer zum Wohle des Nutzers.

Die Design-Evolution hat sich in dieser Saison vor allem beim Innenleben der Möbel fortgesetzt. Zum Beispiel bei der Auswahl der Materialien. Grüne Produkte erzielen auch in unserer Branche immer mehr Anteil. Bei europäischen Möbeln durch PEFC- oder FSC-zertifiziertes Holz, durch zertifizierte Textilien, der späteren Trennbarkeit von Komponenten, der Verwendung nachhaltiger Materialien oder durch ökologische Leime und Lacke. Neo-Ökologie ist ein Megatrend bei Möbeln. Auch das Thema „vegane Möbel“ ist im Kommen, wobei die allermeisten Hersteller dies noch nicht im Marketing verwenden. Dabei sind 85 Prozent aller Möbel ohnehin vegan. Der Erfolg grüner Möbel wird durch die ikonografischen Bilder der verschmutzten Weltmeere gefüttert.

Auch am technischen Innenleben im Kasten- und Küchenmöbelbereich hat sich einiges verbessert. Beschläge werden immer intelligenter, so dass mehr Stauraum mit leichterem Zugang entsteht. Dies gilt auch für die neue Generation an Badmöbeln, die praktisch der Zwilling von Küchenmöbeln werden. Überhaupt gewinnt das Bad innerhalb der Wohnung an Bedeutung und wird vom allgemeinen Einrichtungstrend beeinflusst. Wohnliche Ausstattungs-merkmale wie Accessoires und gutes Licht sind im Bad angesagt, denn die Verweildauer nimmt deutlich zu.

Doch die viel größere Herausforderung besteht heute darin, das Wohnen neu zu denken. Es geht nicht mehr um Farben und Formen, sondern um das Wohnen der Zukunft. Bei künftigen und besseren Wohnkonzepten spielen Themen wie Smart Home, demografischer Wandel, die Veränderung der Geschlechterrollen, der sich verändernde Stellenwert von Kindern, mehr Singlehaushalte, Human Centric Light … eine Rolle, die es in der Architektur, der Innenarchitektur und im Design von Möbeln zu berücksichtigen gilt. Uns erwarten auf der imm cologne dazu viele Inspirationen und Vorschläge.

Über allem schwebt eine Art „digitaler Neandertaler“ mit natürlichen Materialien, Gemütlichkeit, Abschalten und Entspannung und mit dem Smartphone in Wartehaltung zu den Dingen, die da kommen mögen.

Aus der im Vorfeld der imm cologne 2019 durchgeführten VDM-Wohnstudie und VDM-Ausstellerbefragung lassen sich Grundeinstellungen zum Wohnen und Schwerpunkte im Möbel- und Einrichtungsangebot der neuen Saison 2019 ableiten. Hier die wichtigsten Ergebnisse:

Der Stellenwert der eigenen, individuell gestalteten Wohnung ist trotz aller gesellschaftlichen Veränderungen unverändert groß: Für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung ist die eigene Wohnung der Ort, an dem man sich wohlfühlt und entspannt, auch ein Rückzugs- und Freiheitsraum. Entsprechend legen 79 Prozent der Bevölkerung Wert darauf, dass ihre Wohnung ganz nach ihren Bedürfnissen und ihrem Geschmack eingerichtet ist.

Die Mehrheit der Bevölkerung ist mit ihrer Einrichtung zufrieden, 27 Prozent sind jedoch unzufrieden. Dies entspricht 18,8 Mio. Menschen, die gerne ihre Einrichtung verändern würden. Das sind überdurchschnittlich Frauen und unter 30-Jährige. Jeder Vierte verändert generell gern öfter die eigene Einrichtung; das gilt für Frauen weitaus mehr als für Männer.

Wenn man fragt, welches neue Möbelstück sich die Menschen denn wünschen, sagen 26 Prozent eine neue Couch. Jeder vierte neue Garten- und Terrassenmöbel, 23 Prozent eine neue Küche, 23 Prozent ein neues Bad und nochmal 23 Prozent schöne Lampen. Bei den Menschen, die nicht zufrieden mit ihrer Wohnung sind, liegen diese Anteile fast doppelt so hoch.

Bei der Auswahl von Möbeln spielen vor allem Design, Verarbeitung, Bequemlichkeit und Funktionalität eine große Rolle. Positive Umwelteigenschaften werden bei Möbeln mit Fug und Recht vorausgesetzt. Die Menschen sind gut informiert und vertrauen den europäischen Standards.

28 Prozent der Bevölkerung haben Möbelkäufe für 2019 fest eingeplant. Das sind 19,1 Mio. Menschen. Weitere 40 Prozent ziehen Käufe in Erwägung, sind aber noch nicht entschlossen; dieser Kreis umfasst 27,8 Mio. Menschen. Viele Kunden haben Mühe, trotz des großen Angebots und der zur Verfügung stehenden Informationen das Passende zu finden. Der Markt wird noch vom eher preisaggressiven Angebot dominiert, obwohl das echte Angebot viel größer ist.

Nach wie vor ist der stationäre Handel mit Abstand die wichtigste Quelle von Information und Inspiration. Das gilt auch für die junge Generation, in der jedoch das Internet und der Austausch mit Freunden und Bekannten eine überdurchschnittlich große Rolle spielen. Insgesamt sind 77 Prozent der Bevölkerung überzeugt, dass Möbelhäuser die geeignetste Quelle vor Möbelkäufen sind, gefolgt von Prospekten und dem Internet. 40 Prozent zählen mittlerweile das Internet zu den besonders hilfreichen Informationsmöglichkeiten vor Möbelkäufen, in der jungen Generation 63 Prozent. Auch soziale Netzwerke spielen hier zunehmend eine Rolle: Von den Mitgliedern in sozialen Netzwerken informieren sich knapp 30 Prozent auch über Einrichtung und Möbel bzw. tauschen sich auf diesen Plattformen mit anderen aus. Entsprechend ist die Präsenz im Internet nicht nur für die Hersteller, sondern auch für den Handel von wachsender Bedeutung.

Die Trends bei den Formen, Stoffen, Farben, Materialien
Entwürfe in Anlehnung an das Mid-Century-Design der 1940er bis 1960er Jahre bleiben. Ihre Formensprache ist eher zierlich und leicht. Kleinere Möbel bleiben beliebt. Der Retrotrend geht aber weiter und die 1970er Jahre blitzen schon hier und da durch. Offen bleibt, ob eher organische oder geometrische Formen bei Polstermöbeln mehr Absatz finden. Im Zuge der 100-Jahr-Feier des deutschen Bauhaus und der damit verbundenen Wiederauflage mancher Entwürfe und einem dazugehörigen verstärkten Marketing erwarten wir 2019 beide Richtungen.


© Foto: Polsterstoff-Kollektion Christianshavn von Fritz Hansen

Bei den Bezugsstoffen für Polstermöbel ist ein breites Angebot an Naturfasern zu erkennen. Cord und Samt spielen weiterhin eine große Rolle. Auffällig ist das große Angebot modularer Sofaelemente. Tragbare Einzelstücke können zu einem „ganzen“ Polstermöbel immer so zusammengestellt werden, wie man sie gerade braucht. Opas Ohrensessel wird neu interpretiert, als Einigeln-Polstersessel mit schützendem Halt. Übrigens nicht nur für das private Wohnen, sondern auch für den Workingspace im Home-Office oder Büro.

Bei den Bezugsstoffen bleibt das blaue Farbspektrum von Europablau über Hellblau, Türkis zu Petrol weiterhin beliebt. Blau steht neben seinen klassischen Bedeutungen wie Harmonie und Beruhigung auch für Reinheit und immer mehr für ein plastikfreies Meer. Das sanfte Olivgrün bleibt ebenfalls, denn es steht für Natürlichkeit, Frühling, Hoffnung, Gesundheit und Natur. Pantone hat „Living Coral“, einen lebensbejahenden Orange-Ton, als Farbe des Jahres 2019 ausgerufen. „Living Coral“ ist appetitanregend in jeder Hinsicht, steht für den Wunsch nach intensiven Erfahrungen. Die 1970er lassen grüßen. Insgesamt zeigt sich das Wohnen deutlich farbenfroh.

Linoleum kommt als ausgesprochen natürliches Material zurück. Das aus Leinöl, Korkmehl und Jutegewebe bestehende und 160 Jahre alte Material war ursprünglich als elastischer Fußbodenbelag gedacht und findet auch hier heute noch Verwendung. Die Möbelindustrie zeigt den robusten und ökologischen Werkstoff als Tischplatte, Sideboardfront oder Intarsie im Sekretär. Linoleum ist vor allem ein ökologisches und wohngesundes Material.

Massivholz wird seine Stellung noch einmal ausbauen. Wir sind am Anfang einer Holz-Renaissance. Die Entwürfe von Tischen, Schränken oder Sideboards sind dabei filigran und elegant und weg von der Rustikalität vergangener Zeiten. Eiche bleibt Bestseller, aber auch Nussbaum und Kirsche halten ihre Stellung. Holz wird im Frontenbereich als Furnier auch gerne mit anderen natürlichen Materialien wie Glas und Metall kombiniert.

Generell werden Möbel in allen Preisklassen optisch hochwertiger. Möbel, die wie auch immer „billig“ aussehen, erreichen in Zukunft keine gute Marktperformance mehr.

Das Potential der deutschen Möbelindustrie ist höher als ihr Marktanteil. In Deutschland liegt dieser aktuell bei rund 35 Prozent. Um dies zu ändern, haben wir im Vorfeld der imm cologne 2019 eine Initiative in den beiden sozialen Medienkanälen Twitter und Facebook gestartet. #zuhausesein ist für unsere Industrie, für den Handel und für den Käufer informativ. Experten und Designer haben sich schon zu Wort gemeldet, und in diesem Jahr sollen auch Aktionen mit Endkunden gestartet werden. Wir erhoffen uns mit #zuhausesein, dass wir Möbel Made in Germany den Menschen wieder mehr schmackhaft machen können.
© Foto ganz oben: Janua www.janua-moebel.com
© Text: www.holzindustrie.de